Hintergrund

Aktive Mobilität ist wichtig!

Während der Rad- und Fußverkehr in der Vergangenheit als unbedeutende Verkehrsmittel galten, wächst heutzutage immer mehr das Interesse daran Rahmenbedingungen zu schaffen, um diesen aktiv zu fördern. Dieser Wandel ist eine Folge der zahlreichen Vorteile, die aktive Mobilität unseren Städten, der lokalen Wirtschaft, der physischen Gesundheit und der Umwelt bringt.

Modal Split Deutschland

Aktive Mobilität nimmt bereits heute einen großen Teil der täglichen Verkehrsaktivitäten ein. Wie in vielen anderen Ländern spielt auch in Deutschland der Fuß- und Radverkehr eine wichtige Rolle für die alltägliche Mobilität (siehe: Modal split in different cities worldwide). Darüber hinaus trägt der Fuß- und Radverkehr einen entscheidenden Part als Zubringer für öffentliche Verkehrssysteme bei. In vielen Städten und Gemeinden auf der ganzen Welt nutzen Fußgänger:innen und Radfahrer:innen bereits einen größeren Anteil an Verkehrsmitteln. Es besteht jedoch ein großes Potenzial darin ihren Anteil weiter zu erhöhen, um in Folge dessen das Spektrum an positiven Auswirkungen umfassender nutzen zu können.

Gute Voraussetzungen für einen aktiven Verkehr sind in der Regel das Ergebnis ausgearbeiteter Planungsstrategien, allerdings kann die Ausarbeitung sich oftmals als kompliziert herausstellen. Neben einer attraktiven Infrastruktur, einem sicheren Umfeld und einer ausgeprägten aktiven Mobilitätsstruktur ist es wichtig, nahe gelegene Destinationen zu bieten. Dies unterstreicht, dass die Förderung des Fuß- und Radverkehrs nicht allein durch Infrastrukturprojekte erreicht werden kann, sondern auch ein integriertes Konzept der Stadt- und Verkehrsplanung erfordert.

Modellierung aktiver Mobilität

Die Verkehr- und Stadtentwicklung sind zwei eng miteinander verflochtene und komplexe Themen. Aus diesem Grund sind Planungs- und Entscheidungsträger sehr oft auf die Hilfestellung von Planungs- und Entscheidungsunterstützenden Systemen angewiesen. Klassische Verkehrsmodelle sind eine der prominentesten Vertreter, aber auch Landnutzungsmodelle sowie integrierte Landnutzungs- und Verkehrsmodelle gehören dazu. Sie werden in der Regel verwendet, um die Auswirkungen großer Infrastruktur- oder Stadtentwicklungsprojekte zu bewerten.

Trotz der kontinuierlichen Weiterentwicklung der oben genannten Werkzeuge sind eben diese eher selten als Modell für den Fuß- und Radverkehr konzipiert. Die Herausforderung liegt in der Notwendigkeit auf einer Nachbarschaftsebene zu modellieren und kleine Veränderungen im städtischen Umfeld und im Verkehrsnetz in angemessener Weise zu berücksichtigen. So lässt sich beispielsweise die Auswirkung einer neuen Ringstraße auf das künftige Verkehrsaufkommen prognostizieren, während die Auswirkung einer neuen Fußgängerbrücke kaum quantifiziert werden kann.

Konzept der Erreichbarkeit

Das Konzept der Erreichbarkeit kann als mögliche Abhilfemaßnahme für dieses Problem gesehen werden. Im Gegensatz zu Verkehrsmodellen können Erreichbarkeitsmodelle alle Verkehrsträger, Maßstäbe und darüber hinaus auch die Wechselwirkungen zwischen Verkehr und Landnutzung berücksichtigen. Das Konzept der Erreichbarkeit im Allgemeinen zeichnet sich durch hohe Flexibilität und einen weiten Anwendungsbereich aus. Er überrascht daher nicht, dass es in der wissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Definitionen gibt:

  • „das Potential von Interaktionsmöglichkeiten“ (G. Hansen 1959)
  • „das Ausmaß, in welchem das Landnutzungs- Verkehrssystem (Gruppen von) Personen oder Gütern ermöglicht, Tätigkeiten oder Zielorte mit (Kombinationen von) Verkehrsträgern zu erreichen“ (Geurs and Van Eck 2011)
  • „die Anzahl und Vielfalt der Orte, die innerhalb einer bestimmten Fahrtzeit und/oder Kosten erreichbar sind“ (Bertolini, LeClerq and Kapoen 2005)
  • „eine Angabe der potentiellen Zahl relevanter Tätigkeiten, die sich innerhalb einer akzeptablen Reichweite eines bestimmten Ortes oder einer akzeptablen Reichweite von Personen befinden“ (te Brömmelstroet, Marco et al. 2016)

Im Gegensatz zu Verkehrsmodellen zeigen Erreichbarkeitsmodelle Potenziale auf, z.B. „Wie viele zusätzliche Arbeitsplätze können mit einer neuen Transitlinie erreicht werden?“ anstatt zu versuchen, das Wachstum der Fahrgastzahlen durch neue Transitlinien vorherzusagen.

Komponenten der Erreichbarkeit

Die vier Erreichbarkeitskomponenten

Mit den sogenannten Erreichbarkeitskomponenten (Geurs und van Wee 2004) kann das Erreichbarkeitskonzept konkretisiert werden. Jede Komponente kann einen Einfluss auf die Erreichbarkeit haben, daher werden idealerweise alle vier Komponenten berücksichtigt. Der Zugang zu Supermärkten könnte z.B. durch die Anzahl der verfügbaren Geschäfte (Landnutzung), die Qualität des Verkehrsnetzes (Verkehr), die Öffnungszeiten der Supermärkte (zeitlich begrenzt) und schlussendlich durch das finanzielle Budget der Menschen (individuell) beeinflusst werden.

Heutzutage gibt es unzählige Möglichkeiten Erreichbarkeit zu messen und je nach Zweck, Ressourcen und Datenverfügbarkeit werden geeignete Maßnahmen gewählt. Zu den am häufigsten verwendeten zählen Gewichtungsbasierte – sowie Konturmessungen. Es gibt jedoch auch komplexere, wie beispielsweise nutzungsbasierte Maßnahmen. Je nach Verwendungszweck lässt sich die Erreichbarkeit mit Isochronen als relativ einfache Einzugsgebiete bis hin zu komplexen Kennzahlen anhand von Gebrauchsmustern visualisieren.

Werkzeuge / Instrumente der Erreichbarkeit

Um die Erreichbarkeit zu messen werden Erreichbarkeitswerkzeuge benötigt. Normalerweise werden diese Instrumente mit Hilfe von Geoinformationssystemen (GIS) erstellt, die es ermöglichen, räumliche Daten zu verarbeiten und zu visualisieren. Es gibt eine Vielzahl von Werkzeugen mit sehr unterschiedlichen Verwendungszwecken, Benutzeroberflächen, Benutzergruppen und Nutzungsbedingungen. Dazu gehören Eigenentwicklungen von Forschungsgruppen, Open-Source-Projekte, aber auch proprietäre Softwareprodukte. Bislang gibt es nur wenige Werkzeuge, die dynamische Berechnungen und Ad-hoc Szenarien Darstellung ermöglichen. Es gibt auch wenige Tools, die ausschließlich auf aktive Mobilität und Open-Source-Entwicklung spezialisiert sind. Dementsprechend wird die Notwendigkeit erkannt, Werkzeuge für die Erreichbarkeit weiterzuentwickeln, um den offenen Herausforderungen zu begegnen.

Referenzen

Brömmelstroet, Marco te, Cecília Silva, and Luca Bertolini. 2014. “Assessing Usability of Accessibility Instruments.”

Brömmelstroet, Marco, Curtis, Carey, Larsson, Anders, and Milakis, Dimitris. 2016. “Strengths and Weaknesses of Accessibility Instruments in Planning Practice: Technological Rules Based on Experiential Workshops.”

G. Hansen, Walter. 1959. “How Accessibility Shapes Land Use.”

Geurs, Karst T., and Bert Van Wee. 2004. “Accessibility Evaluation of Land-Use and Transport Strategies: Review and Research Directions.”

Hull, Angela, Cecília Silva, and Luca Bertolini. 2012. “Accessibility Instruments for Planning Practice.”

Litman, Todd. 2011. “Evaluating Accessibility for Transportation Planning.” Victoria, BC: Victoria Transport Policy Institute. Retrieved from http://www.vtpi.org/access.pdf (September 18, 2017)